KOHLKÖPFE

oder "EIN GEFALLENES MÄDCHEN"
Wenn mich d’Freid packt, dann setz i in mei Blattl eine Karikatur hinein. Oft eine ganz eine Gescherte. Seltener eine nicht ganz so Gescherte. Weshalb ich mir in jedem Fall einen Schiefer einzieh. Weil nämlich auch die nicht so Gescherte, noch ganz schön geschert sein kann. Je nach dem, wers oschaut. Den Leser freits, die Karikierten weniger. Heute ist wieder so ein Gspaßl im Pollykarpsinger Dorfboten drin. Schmunzelnd halte ich das Blatt vor mir und gfrei mi, dass unser Haus- und Hofzeichner mit seiner spitzen Feder wieder einmal des Pudels Kern so richtig schee troffa hod. Da feiste Eggenhofer und de dürrlochert Gscheidle inmitten eines Krautgartens. Vor über 1000 Kohlköpfen verbeugen sie sich und lassen sich beklatschen. „Bravo, bravo, bravo…“.
Zwischen de Kohlköpf drin lugt noch der Kopf vom Schultheis raus, der ebenfalls „bravo, bravo, bravissimo…“ schreit.

STURZ INS FEUCHTE NASS
Meine Freude währt nicht lange. Scho reissts de Tür auf und da Eggenhofer stürzt eini. „Ja du blede Sau du blede“, schreit er.
„Einen wunderschönen guten Morgen Herr Eggenhofer“, lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen. „Tuat eahna goa wos weh, weil’s so schrein?“
„Jetzt werd na glei wer anderer schrein, weil ihra ganz sakrisch wos weh duat“, plärrt der Eggenhofer weiter. Und schon erhebt er seine feiste Hand, die mit festem Griff einen massiven Ziegelstein umklammert.
„Hoid, aufpassn. Des wos sie macha ist die Bedrohung der freien Presse. Do sans fei nachad schnäi dro…“.
Dem Eggenhofer is des wurscht. Weil er nicht nur verschlagen, sondern obendrein auch noch saublöd ist. Und wenn i net schnäi mitm Kopf auf d’Seitn ganga waar, dann waar’s jetzt aus mit mir und auch aus mit dem Pollykarpsinger Dorfboten. So aber verfehlt der Ziegelstein sein Ziel, fliegt durchs offene Fenster ausse und landet exakt auf dem falschen Dutt der Rosalie Gscheidle. De schmeissts hi und mitten eini in a Drecklacka.

DIE ERSTE DIGITALKAMERA KOMMT ZUM EINSATZ
Während der Eggenhofer seiner Gscheidle zu Hilfe eilt, reiss i mei neie Olympus ausm Schrank, eine moderne Kamera, mit der man schnell Fotos schießen kann, und druck auf den Auslöser. Vom Fenster aus, weil da die Perspektive außergewöhnlich gut ist. Motive ergeben sich von selbst. Gscheidle mit de Fiaß in da Höh. Gscheidle mitm Gsicht im Dreck. Gscheidle ohne Dutt. Gscheidle, wie’s an Eggenhofer packt und als Krönung der Fotoserie: Gscheidle und da Eggenhofer in enger Umklammerung und mitten drin in derer Drecklacka.

MIT DEM LEICHENKARREN INS SPITAL
Passanten haben inzwischen die Sanitäter gerufen. Und weil keine Trage nicht gerade frei war, hat man schnell den Leichenkarren geholt und die beiden laut eigenen Aussagen „schwer Verletzten“ ins nächste Spital transportiert.
Am nächsten Morgen berichtete nicht nur der Pollykarpsinger Dorfbote über diesen Skandal. Auch die überregionalen Blätter haben sich mit journalistischer Freude auf die Fotos gestürzt und frech getitelt:
„Gefallenes Mädchen zieht Kabinettsmitglied in den Dreck.“
Die Krankenzimmer der beiden aber, man hat sie schließlich getrennt untergebracht, quellen über vor Beileidsbezeugungen und haufenweise Kohlköpfen.
Mir aber und dem Pollykarpsinger Dorfboten flattert die Androhung einer Anzeige ins Haus:

„Wir in unserer Fraktion und auch unsere Freunde haben alles besprochen und ich habe beschlossen, Sie und Ihr Schmierblatt wegen massiver Körper- und auch Ehrverletzung anzuzeigen. Sie haben einen Ziegelstein auf meine Fraktionskollegin und auf mich geworfen, so dass wir zusammen gestürzt sind und unfreiwillig in einem ungeheuerlichen Sumpf hinein gelandet sind. Den Ziegelstein aber haben Sie aus meinem Ziegelwerk geklaut. So kommt auf Sie auch noch eine Anzeige wegen Diebstahls hinzu. Wir werden Sie auch dafür haftbar machen, dass der Kohl aus unseren Krankenzimmern geräumt und entsorgt werden musste. Weil wir jedoch im Gegensatz zu Ihnen ein frommes Herz und auch eine lupenreine Weste haben, habe ich in meiner Fraktion beschlossen, die von Bürgern gespendeten Kohlköpfe unserer Rosalie Gscheidle als Versorgungseinheit für ihr Armenhaus zur Verfügung zu stellen.
Hochachtungsvoll
Franz Eggenhofer
Kabinettsmitglied
Ausschussmitglied in 13 Ausschüssen des Kabinetts
Ziegelwerk- und Zementwerkbesitzer
Mitglied im Trachtenverein
Mitglied im Feuerwehrverein
Mitglied in der Handballabteilung des Turnvereins
Mitglied im Tontaubenzüchterverein
Mitglied im Verein zur Rettung gefallener Mädchen
Mitglied im Verein zur Schaffung von Baugrund
Mitglied im Verein der Kohlzüchter


WIR EMPFEHLEN... Wach auf!

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