Im Namen vom Schultheiß

Na endlich. Das Telefon läutet. Es ist aber nicht der Mesner Toni, sondern Lars Bachhuber, der Dorfsprecher. „Frau Polster. Uns ist da was ganz Schreckliches zu Ohren gekommen“, sagt Bachhuber.
„Das ist schön. Ist es eine gute Geschichte für meine nächste Ausgabe?“
„Nein, so habe ich das jetzt nicht gemeint. Wir wollten sie eigentlich nur vorwarnen.“
„Mich, wieso denn das?“
„Ja wissen’s… also… wie fange ich jetzt an?“
Lars Bachhuber druckst mir zu viel herum. „Am besten beim Anfang“, versuche ich die Stimmung zu entkrampfen.
„Ja, wenn es nur so leicht wäre. Also, sie kennen doch ihren Schultheiß…?“
„Ja. Falls Sie den suchen, der hockt gerade in der Ritterburg und heckt mit seinem Gruselkabinett eine neue Schweinerei aus. Wenn sie sich beeilen, erwischen sie ihn noch.“
„Das weiß ich schon, dass er da drinnen hockt. Und anschließend geht er ins Fifty und baggert junge Weiber an. Nein, deswegen rufe ich jetzt nicht an. Ist ja nicht verboten. Heut' soll er sogar vom Barhocker gefallen sein.“
„Verboten nicht, aber interessant, was sie mir da sagen. Denke, der hat ein Verhältnis mit der Babsi von der Kämmerei?“
„Das weiß jetzt ich wieder nicht“, lässt sich Bachhuber auf den Plausch ein.
„Ist das nicht die Babsi, die der Eggenhofer aus dem Allgäu mitgebracht hat?“
„Ja, als so genannte Nichte getarnt. Wir wissen ja, was wir davon halten müssen. Der Schultheiß bekommt frisches Gemüse und der Eggenhofer hat dafür freie Bahn.“
Bachhuber wirkt jetzt viel entspannter und beginnt nochmals von vorne.
„Weil wir gerade beim Eggenhofer sind. Vorhin hat uns seine Gscheidle angerufen und uns im Namen vom Schultheiß mitgeteilt, dass sie, liebe Frau Polster, den Bauderer auf dem Gewissen haben. In den Tod haben sie ihn getrieben, erzählt die Gscheidle herum."
„Das ging ja schnell. Da erzählen sie mir aber nicht viel Neues. Ich war zufällig dabei, als der Schultheiß, der Eggenhofer, die Gscheidle, der Krautwickerl und der Boandlkramer die Sauerei ausgeheckt haben“, beruhige ich den Bachhuber und erzähle ihm die ganze Geschichte.
„Mein Gott, bin ich froh, dass sie das so leicht nehmen. So habe ich mir das auch gedacht. Ich kenne ja die Pappenheimer von Pollykarpsing. Gell, Frau Polster, wenn’s jemanden zum Reden brauchen, wir sind jederzeit für sie da. Diese Mistbande da drüben. Weg gehören sie. Einsperren müsste man sie. Bei Wasser und Brot. Einen schönen Tag noch, Frau Polster und wie gesagt…“.
Der Stein, der dem Bachhuber von der Seele fällt, ist bis hinüber nach Alting zu hören.
Jetzt könnt’ sich eigentlich schön langsam auch der Mesner Toni melden.


Habt's scho g'hört...??? Die Polster soll den Bauderer auf dem Gewissen haben!

Das mit dem Bauderer ist wirklich eine tragische Geschichte. Er war auch mal Schultheiß in Pollykarpsing. Der Vorgänger von Fritz Zacherl. Und als solcher hat er die übelsten Grundstücksgeschäfte abgezogen. Seine Position hat er insofern ausgenutzt, als dass er sich als Vertrauensperson bei Witwen und Waisen mit finanziellem Hintergrund eingeschlichen und sie schlichtweg übers Ohr gehauen hat. Plötzlich gehörten dem Bauderer die schönsten und größten Grundstücke in der Region. Viel hat es ihm nicht genutzt. Denn wegen seines großspurigen Lebenswandels war er bis unter die Haarwurzeln verschuldet.
Richtig übel aber hat der Bauderer dem Felix Holm mitgespielt. Der 15-Jährige wurde als Erbe von seiner Oma bedacht. Bargeld und ein Haus mit stattlichem Grundstück in guter Lage sollten ihm einmal gehören. Weil die Oma ihrem minderjährigen Enkel miß-, dem Bauderer aber vertraute, schließlich war er mal Gemeindevorsteher und wie der Boandlkrame früher auch beim Zoll, sollte er als Treuhänder so lange auf die Vermögenswerte aufpassen, bis Felix volljährig ist.
"Wissen's", hat die alte Dame gesagt. "Ich denk' ja noch nie nicht ans Sterben. Aber weiß man's? Morgen könnt's vorbei sein."
"Ja mei, so jung wie sie noch ausschauen und daher kommen. Da bleiben's uns noch mindestens 20 Jahre erhalten", schmuste der Bauderer.
"Aber wie gesagt, auf mich können's eana verlassen. Das wissen's doch. Ich komm' die nächsten Tage mit den notwendigen Papieren vorbei."
Katharina Jäger gefielen die schmeichelnde Worte des Bauerers sehr. Bot er ihr doch gleich noch an, ihre kleine Küche, die längst einen Farbwechsel nötig hatte, zu weiseln.
"Gell, das macht ihnen ihr Felix nicht? Und wenn ich noch was für sie tun kann, rufen's einfach an. Ich bin sofort zur Stelle. Hier haben's meine Geheimnummer. Nur für sie, Frau Jägger. Pfüa Gott, nachat."
Die nächsten Tage wartete der Baderer gar nicht erst ab. Könnt' ja schneller vorbei sein, als es ihm liebe wäre. Schon am nächsten Morgen, ganz früh, stand er mit rosa Farbe, Pinsel und einem Packen Papiere vor Katharina Jägers Türe.
Die Unterlagen hat ihm der Franz Eggenhofer besorgt. "Gell, du weißt ja, wo du meine Provision hinlegen musst, wennst das Erbe versilbert hast", gibt er dem Bauderer noch mit auf den Weg. Der Eggenhofer sahnt grundsätzlich mit ab, wenn der Bauderer ein unsauberes Geschäft macht. Dafür hält der Eggenhofer dicht und besorgt ihm, was der Bauderer für seine Sauereien braucht. Und wenn es eine Bankbürgschaft sein muss. Nein, nicht seine eigene. Da hat er auch ein paar Leute parat, die für ihre Unterschrift ein paar Markl kriegen, bei denen aber letztendlich nichts zu holen ist. Gute Kontakte zur Bank ermöglichen den Schwindel, weil auf jede Kontrolle verzichtet wird.
"Da schaungs her", Frau Jäger. "Grad zufällig habe ich die Anträge auf Vormundschaft zu Hause liegen gehabt. Ich weisle ihnen jetzt ihr hübsches Kücherl. Und sie unterschreiben derweilen die Papiere."
Ein bisserl schnell geht es Elisabeth Jäger dann doch.
"Muss des denn schon heute sein?", versucht sie Zeit zu gewinnen.
"Ich will ja vorher noch mit Felix reden und ihn fragen, was er denn in Zukunft vorhat?"
Bauderer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er versteht es, alten Damen den Hof zu machen und sie um den Finger zu wickeln.
"Ja, sie sind mir schon eine. So attraktiv und dann doch so mißtrauisch. Gäi, Frau Jäger, mit dem Felix können's doch immer noch reden. Jetzt machma des mit den Papieren, dann haben's des Unangenehme hinter sich. Stelln's doch gleich noch ein Flascherl Sekt kalt. Sobald ich fertig bin, stoßen wir auf unsere Freundschaft an."
Während der Bauderer hastig die rosa Farbe zwischen dem Küchenschrank und dem Waschbecken und um die Fensterrahmen herum an den freien Wandstellen verteilt, versucht Katharina Jäger sich durch den Papierwust zu wursteln.
Die Oma ist zwar schon ein bißchen verschusselt, aber nicht blöd. So findet sie auf Anhieb eine Passage, die ihr gar nicht gefällt.
"Da steht ja, dass Felix erst mit 25 Jahren an sein Erbe heran kann. Volljährig wird man aber doch schon mit 18?", erkundigt sie sich.
"Reine Formsache", wehrt der Bauderer ab.
"Der Passus bringt ihm Steuervorteile, falls sie wirklich schon vorher das Zeitliche segnen sollten. Was aber nicht sein wird. Sie erleben ganz g'wieß noch den 25. Geburtstag vom Felix mit."
"Gell, sie pratzeln uns nicht?", bohrt Katharina, mißtrauisch geworden, nach.
"Ja nie nie nicht. Frau Jäger. Wie kommen's den auf so etwas?"
Bauderer wird ein bißerl nervös, weil nicht alles gleich so glatt geht, wie der sich das vorgestellt hat. Die Schrecksekunde ist schnell vorüber.
"Schaungs, Frau Jäger. Jetzt schalten wir den Radio an, trinken ein Glaserl Sekt mit einander und ich ruf' schnell den Schultheiß und den Eggenhofer an, zwei ganz seriöse Leute, und bitte sie auf einen Sprung zu uns. Die können ihnen dann erklären, dass alles rechtens ist."
Der Aufwand, der um sie getrieben wird, ist Oma Jäger ganz und gar nicht Recht. Bevor sie jedoch Einspruch erheben kann, hat der Bauderer sein Handy in der Hand und bestellt seine zwei Parteikollegen in Oma Jägers kleine Küche.


Noch bevor Katharina Jäger Ordnung in der Wohnstube schaffen konnte, "so kann ich doch den Schultheiß nicht empfangen", standen auch schon Fritz Zacherl und Franz Eggenhofer in der Türe.
Zacherl stocksteif wie immer, Eggenhofer, schleimig, wie gewohnt.
"Ja grüß' eahna, Frau Jäger. Geht's gut? Schaun's, a Rosn hab ich für sie."
Katharina Jäger weiß nicht, wie ihr geschieht. Jahrelang hat sich keiner um sie geschert. Jetzt plötzlich, aufn Schlag, sind es gleich drei der kommunalen Vertreter, die ihr den Hof machen.
Während sich Eggenhofer der Konversation annimmt, der Schultheiß stoisch lächelnd das Szenario beobachtet, legt der Bauderer wie zufällig die Papiere auf den Tisch.
"So, jetzt köpf' ma a Flascherl Sekt. Was, sie ham gar keines kalt gestellt. Sie Schlimme sie."
In ihrer Not bietet Katharina Jäger einen Eierlikör an. Eine halbe Flasche hat sie noch im Schrank stehen. Vom Weihnachtsfest vor einem Jahr.
"Nichts anderes habe ich im Haus", entschuldigt sie sich. Drei geblümte Schnapsgläser holt sie aus dem Buffett und stellt sie den Besuchern hin.
"Ja, ein Eierlikör. Das ist doch unser Lieblingsgetränk", schmeichelt der Eggenhofer, während der Schultheiß verstohlen sein Gesicht verzieht.
"Ja, ein Eierlikör", stammelt er. "Der erinnert mich an meine Mama. Die hat auch immer einen Eierlikör getrunken." Verächtlich schüttet er das Stamperl hinunter, beutelt sich und hofft, dass ihm Frau Jäger kein zweites anbietet. Tuckenbrause wäre ihm lieber gewesen. Der Bauderer aber tut nur so, als tät' er am Eierlikör nippen.
"Gell Frau Jäger, und jetzt unterschreiben wir."
Die bald 80-Jährige kommt nicht aus. Dennoch fragt sie nach, warum der Bauderer in die Papiere rein geschrieben hat, dass der Felix erst mit 25 Jahren das Erbe erhalten soll.
Wie auf Kommando und aus einem Munde erklärt das Trio, dass es sich dabei lediglich um einen steuerlichen Vorteil handelt.
Dabei setzt der Bauderer längst darauf, dass es die Oma nicht mehr so lange macht und ihm bis zum 25. Geburtstag des 15-Jährigen viel Zeit bleibt, Haus und Hof für sich Gewinn bringend anzulegen. Schlichtweg unterschlagen will er das Erbe. Im Hintergrund lauert aber eine weiterer Haderlump, der mit ihm gemeinsame Sache machen wird.








Franz Filserstock

Franz Filserstock gehört längst zum Clan vom Schultheiß, obwohl er sich immer dezent zurück gehalten hat.


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