Schau Fiffi, des is a Orden!

Mit stolz geschwellter Brust…
läuft Rosalie Gscheidle durchs Dorf. „Da schaungs her. Den hat mir der Herr Staatsminister an meine Brust geheftet“, erzählt sie jedem, der es hören mag oder auch nicht. „Weil ich so gscheit bin und weil ich alles besser weiß.“
Tatsächlich ziert die Burka, Gscheidle hat sich dem feierlichem Anlass entsprechend aus dem gemeindlichen Sozialfond Geld geben lassen, um sich eine neue schneidern zu lassen, ein silberner Orden. Pollykarpsing steht Kopf. Wie ein Lauffeuer spricht sich herum, dass die Gscheidle eine Tapferkeitsmedaille bekommen hat.
„Ausgerechnet die, die bleede Gans“, schimpft Franz Graabpichler.
Er kann’s einfach nicht fassen und ruft mich an.
„Sag amal Polster, stimmt denn des mit derer Gscheidle?“
Graabpichler ist nicht der erste, der seinem Ärger Luft macht.
„Ja, des stimmt“, sag ich. „Aber frag’ mi net, wie de dazua komma is.“
Graabpichler ist entsetzt und will auf der Stelle in die Landeshauptstadt fahren um seinen alten Spezi, den Staatsminister, zur Rede zu stellen.
Eine gute Idee, denk’ ich. Fragst auch einmal nach. Immerhin habe ich ja schon das eine oder andere Bier mit ihm zusammen getrunken.
„Ja, griaß eana Gott, Frau Polster. Des freit mi, dass sie mich anrufen. Wie geht’s denn so? Wia, Rosalie Gscheidle? Hörn's ma bloß auf. Nicht schon wieder. Miaßns denn da was schreiben?“
Der Staatsminister wirkt plötzlich unwirsch. Leicht genervt. Normalerweise freut er sich, wenn die Presse anruft und um ein Statement bittet.
„Sie glauben’s nicht, was seit der Verleihung los ist“, klagt er sein Leid.
Nein. Sagen will er nichts dazu. Er wisse auch nicht so recht, wie die Gscheidle in die Liste der Auserwählten gekommen ist.
„Aber schreims des jetzt ja nicht, dass ich ihnen das g’sagt hab. Das habe ich ihnen fei out of records g’sagt. Sie wissen schon.“
Ja, ich weiß. Out of records bedeutet, ich habe nichts gesagt und wenn doch, dann streite ich alles ab. Es scheint die zweite Panne innerhalb eines Jahres. Und das kurz vor den Kommunalwahlen. Herr Staatsminister nämlich hatte bereits bei einer letzten Verleihung einem allseits bekannten Fleischhändler einen Orden an die Brust geheftet. Für sein Engagement, für seine Aufrichtigkeit und für außergewöhnliche Leistungen. Kurz nach der Verleihung wurde der Fleischhändler wegen groß angelegter Betrügereien und dem Verkauf von Gammelfleisch verhaftet und verurteilt.
Nein, beim Staatsminister kommen wir nicht weiter, überlege ich.
Der Graabpichler aber lässt nicht locker.
"Wir müssen derer Matz endlich das Handwerk legen", sagt er und geht zum Konkurrenzblatt, dem Altinger Boten. Dieser Nämliche nämlich hätschelt die Gscheidle und schreibt auch jeden Schmarrn, den sie verzapft.
Der Graabpichler nimmt sich vor, denen mal gehörig den Marsch zu blasen.
Ich bereite derweilen die Schlagzeile vor.
„Pollykarpsinger Dorfratschn schmückt sich mit fremden Federn“.
Hähä. Des passt.
Immer mehr Pollykarpsinger Honoratioren melden sich und bedanken sich für die kritische Berichterstattung.
„Endlich einmal eine, die sich die Wahrheit schreiben traut“, sagt Sepp Gablhofer.
Er spendet gleich ein paar Markln für den von uns eröffneten Sozialfond.
Die Gscheidle aber dreht durch. Gut so. Soll nur nervös werden.
S’Telefon läutet ununterbrochen.
„Ja, Danke. Was, sie wollen ein Abo. Ja, klar doch, wird gemacht.“
„Wer? Oh, Herr Ofenkircher. Was gibt’s?“
Benno Ofenkircher gehört zu unseren besseren Anzeigenkunden. Nicht, was seine Produkte und seine Anzeigengestaltung betrifft. Aber er schaltet jeden Furz, den er selbst loslässt. Und weil er viel furzt, bringt es auch viel Kohle.
„Ja, klar Herr Ofenkircher. Alles beweisbar. Sie hat nicht eine einzige tapfere Tat getan.“
Ofenkircher hat einen Anruf von der Gscheidle erhalten.
Ofenkircher kennt die Verhältnisse nicht.
Ofenkircher hat sich weich klopfen lassen.
Das ist das einzige, was die Gscheidle beherrscht. Opfer gezielt anpeilen, einkreisen und dann, je nach Mentalität, Opfer denunzieren und auch gleich noch auf die Tränendrüse zu drücken. "Wissen's", jammert sie dann, "ich hab' schon so viel getan und keiner dankt's einem."
Hier war’s die Tränendrüse.
„Sie können doch die alte Frau nicht einfach bloß stellen“, schimpft Ofenkircher.
„Jetzt hat’s schon nichts und ist auch nichts und jetzt nehmen’S ihr noch die Tapferkeitsmedaille.“
Ofenkircher ist wütend.
Mein Versuch, Ofenkircher zu überzeugen, dass eine Tapferkeitsmedaille auch eine tapfere Tat voraussetzt, scheitert.
„Ist doch schon tapfer, wenn man sich mit Ihnen anlegt. Hähähä“, lacht der Ofenkircher, überzeugt, einen ganz besonderen Spaß gemacht zu haben.
Schlage ihn im nächsten Jahr als Mann des unverständlichen Humors vor.
„Nein, Herr Ofenkircher. Ich bin nicht erpressbar. Dann müssen wir halt in Zukunft auf Ihre Anzeigen verzichten. Auf Wiederhören.“